"Alle paar Jahre geht der Mensch zur Wahl. Doch fast täglich fällt er Kaufentscheidungen.
Er konsumiert, legt Geld an – und in der Regel sucht er dabei für sich den größtmöglichen Vorteil.
Als etwas zurückgeblieben gilt doch, wer auf sein Girokonto noch Gebühren zahlt
und beim Tagesgeldkonto mit weniger als fünf Prozent zufrieden ist.
Hunderttausende, unfassbar komplizierte Zertifikate konnten in Deutschland nur verkauft werden,
weil zu viele Anleger glauben wollten, dass Sicherheit bei gleichzeitig hoher Rendite zu haben sei.
Gewinnstreben treibt Manager, Profiinvestoren und Kleinanleger gleichermaßen.
Bei denen da oben nennen wir es Gier; bei uns hier unten bricht Empörung aus,
wenn das zuvor hochverzinste Geld plötzlich weg ist, weil Lehman pleite und Island kurz davor ist.
Die hohen Zinsen müssen jedoch von der Bank verdient werden – mit entsprechend hohem Risiko.
Das Fehlverhalten und die Maßlosigkeit von Managern ist damit freilich nicht zu entschuldigen.
Führungskräfte der Wirtschaft haben wie Politiker eine herausgehobene Rolle.
Jeder von ihnen trifft weitreichendere Entscheidungen als der Wähler, Konsument und Kleinanleger.
Außerdem geben sie ein Vorbild, das andere nachahmen.
Wenn B-Chefs wie xx predigen, 25 Prozent Rendite seien nachhaltig erreichbar, muss man nicht erstaunt sein,
dass Lieschen Müller sich nicht mit drei Prozent abspeisen lässt.
Wenn P-Chef xy vorführt, dass man mit fragwürdigen Kapitalmarkttricks
x-mal so viel verdienen kann wie mit dem Verkauf von Autos
– warum soll man nicht an der Börse zocken, anstatt sich ans Fließband zu stellen?", SZ, 15.11.08