Außer einer Verhandlungssprache fehlte auch eine Redezeitbeschränkung.
Die Bestimmung, Dringlichkeitanträge stets vorrangig zu behandeln, gab aussserdem noch
der kleinsten Fraktion den willkommenen Hebel in die Hand, mit nebensächlichen,
in die Länge gezogenen Anträgen die Parlamentsarbeit über Tage und Wochen zu blockieren.
Manche nichtdeutsche Abgeordnete nutzten das Fehlen von Dolmetschern und die fehlende Redezeitbeschränkung aus.
Da die meisten anderen sie nicht verstanden, ihre Reden auch nicht protokolliert wurden..war eine Kontrolle schwierig,
ob wirklich nur über den aktuellen Antrag gesprochen oder nicht etwa mit Gedichtaufsagen oder ständigen Wiederholungen Zeit geschunden wurde.
Das öffnete der Obstruktion Tür und Tor und machte zügige Arbeit unmöglich.
Besuche im Parlament seien bei den Wienern sehr beliebt,
"da kann er..an einer Unterhaltung ohne Entree theilnehmen.
Das persönliche Losfahren der Abgeordneten aufeinander entschädigt die Wiener vollkommen für das Theater,
für dessen Vorstellungen sie immerhin bezahlen müssten, wenn sie sich unterhalten wollten.
Im Parlament können sie sich durch Abgeordnetengnaden einen vergnügten Tag verschaffen,
durch dessen Früchte sie auch am Stammtisch in die Lage versetzt werden, manchen Abend die guten Freunde zu unterhalten.
So beschlossen die übrigen Parteien, die Obstruktion durch Dauersitzungen auszuhungern.
Im Parlament wurden Feldbetten aufgeschlagen, Proviant gehortet...
Als der erste Redner kurz vor 2 Uhr nachts schloß, hatte er mit 13 Stunden den Obstruktionsrekord ...überboten.
Die Beratung des 2. Dringlichkeitsantrags von 37 - dauerte von 7 Uhr morgens bis halb neun Uhr abends...
S. 342: Das Rednertalent Georg Schönerer
In immer grösseren Versammlungen eriwes er sich als Volkstribun mit großem Charisma und beachtlichen rhetorischen Fähigkeiten,
wie auch seine Feinde zugeben mußten: Von Gestalt war Schönerer klein und beleibt und sein dickes, rothes Biergesicht
mit den fettigen Augen macht für den ersten Augenblick keinen angenehmen Eindruck. Wenn er aber spricht, sieht dieser Mann anders aus...
Mit genauer Pointierung bringt er das, was er seinen Zuhörern sagen will vor...
Vom persönlichen Character mag Schönerers mag soviel gesagt sein, daß er jedem Gegner gegenüber roh und brutal,
unduldsam im Kreise seiner Anhänger, doch gegen seine Schmeichler und Ohrenbläser freundlich und hülfereich ist.
S. 378: Der Redner Karl Hermann Wolff
Ausgesprochen begabt und ein vorzüglicher Redner mit einer tiefen, wohllautenden Stimme, fand er mitunter Worte,
die den Eindruck ehrlicher Überzeugung, ja echter Gefühlswärme hervorriefen und zu Herzen gingen"
aus B. Hamann: Hitlers Wien