Angewandte Philosophie und Angewandte Neurobiologie
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Wir quatschen uns zu Tode
Einspruch 8: Redseligkeit als Karrierefaktor.
Erich Feldmeier über Worthülsenzauber und Leistung in Organisationen.
http://www.iiqii.de/gallery/albums/Die-iiQii-Philosophie/PlatonWikipedia
Auszug aus Plato: Gorgias. Über die Beredsamkeit.
Gorgias: Das, was, lieber Sokrates, in Wahrheit das
größte Gut ist und zugleich die persönliche Freiheit
für die Menschen erwirkt und die Herrschaft über
andere jedem in seinem Staate.
Sokrates: Was meinst du denn da?
Gorgias: Die Fähigkeit, durch Worte zu überreden,
und zwar vor Gericht die Richter, in der Ratsversammlung
die Ratsherren, in der Volksversammlung
die Bürger, und überhaupt in jeder beliebigen
Versammlung, welche Versammlung von Bürgern
es auch nur geben mag. Jedenfalls wird, wenn du in
dieser Fähigkeit geübt bist, der Arzt dein Sklave
sein und der Turnlehrer auch. Dieser Handelsmann
aber, das wird sich offen zeigen, erwirbt für einen
anderen und nicht für sich, sondern für dich, der du
die Massen zu überreden verstehst.
...
Gorgias: Gut; ich will dir, lieber Sokrates, die ganze
Bedeutung der Rhetorik genau zu enthüllen versuchen.
Denn du hast mir selbst gut denWeg gewiesen.
Du weißt doch wohl, daß hier die Schiffswerften
und die Mauern der Athener und die Einrichtung
der Häfen nach dem Rate des Themistokles
vor sich gegangen ist, zum Teil auch nach dem des
Perikles, und nicht nach dem der Sachverständigen.
Sokrates: Man sagt das, lieber Gorgias, von Themistokles;
den Perikles habe ich selbst gehört, als er
uns über die mittlere Mauer einen Rat erteilte.
Gorgias: Wenn es ferner die Wahl gilt von Leuten,
die du eben nanntest, so sind es doch, wie du
siehst, die Redner, welche den Vorschlag machen
und mit ihrer Meinung darüber durchdringen.
Sokrates: Darüber wundere ich mich auch, lieber
Gorgias, und frage schon längst, was eigentlich die
Bedeutung der Rhetorik sei. Denn wenn ich es so
überlege, scheint sie mir fast von recht übermenschlicher
Größe.
Gorgias: Wenn du gar erst alles wüßtest, lieber Sokrates,
daß sie sozusagen die Kräfte aller anderen
Künste in sich zusammenfaßt und sich unterwürfig
macht! Einen entscheidenden Beweis dafür will ich
dir mitteilen. Ich bin nämlich schon oft mit meinem
Bruder und sonstigen Ärzten zu einem Patienten
ins Zimmer getreten, der entweder keine Arznei
nehmen oder sich nicht schneiden oder brennen
(operieren) lassen wollte von dem Arzte, und der
Arzt vermochte ihn nicht zu überreden; da habe ich
ihn überredet mit keiner anderen Kunst als der
Rhetorik. Ich behaupte aber auch, wenn in eine
Stadt, wohin du willst, ein Redner und ein Arzt
käme, und es sollte in der Volksversammlung oder
vor einer anderen Versammlung im Kampfe der
Rede ausgemacht werden, wer gewählt werden
müsse, der Redner oder der Arzt, dann werde der
Arzt durchaus zu keiner Geltung kommen, sondern
der tüchtige Redner gewählt werden, wenn er es
wollte. Und gelte es denWettkampf gegen die Meister
in irgend sonst einem Beruf, so werde der Redner
es durchsetzen, daß man ihn wähle, eher als
sonst irgend einer. Denn es gibt nichts, worüber der
Redner vor der Menge nicht mit größerer Überzeugungskraft
reden könnte als irgend sonst ein Sachverständiger.
So umfang- und inhaltreich ist die
Bedeutung unserer Kunst.
...
Sokrates: Ich glaube, auch du, lieber Gorgias, hast
über viele Unterredungen Erfahrungen gemacht und
dabei auch selten den Fall erlebt, daß die Leute
leicht über den Gegenstand, den sie gerade sich
vorgenommen haben, sich zu unterhalten verstehen
und erst, wenn sie die Sache unter einander zur
Entscheidung gebracht und sich gegenseitig belehrt
haben, die Unterhaltung aufheben; vielmehr, wenn
sie sich über etwas streiten und der eine behauptet,
der andere habe nicht recht oder drücke sich nicht
deutlich aus, so werden sie unwillig und meinen,
andere sagten so aus persönlicher Mißgunst gegen
sie, weil sie ihre eigene Ehre suchten und nicht die
in der Untersuchung vorliegende Sache. Einige
gehen zuletzt gar mit Unehren auseinander, indem
sie sich beschimpfen und über einander gegenseitig
Dinge aussprechen, daß sich die Anwesenden um
ihrer selbst willen ärgern, daß sie solcher Leute Zuhörer
hatten werden wollen.
...
Sokrates: Höre denn, Gorgias, worüber ich mich in
den von dir ausgesprochenen Behauptungen wundere:
Vielleicht hast du nämlich doch recht, und ich
gehe von einer unrichtigen Annahme aus. Du behauptest
also, jemanden zum Redner bilden zu
können, wenn er die Kunst von dir lernen will?
Gorgias: Ja.
Sokrates: So doch, daß er über alle Dinge vor dem
großen Haufen überzeugend spricht, nicht belehrend,
sondern nur überredend?
Gorgias: Jawohl.
Sokrates: Demgemäß sagtest du doch, daß der Redner
auch über das Gesunde überzeugender sein werde
als der Arzt?
Gorgias: Jawohl, vor der Menge heißt das.
Sokrates: Nicht wahr, vor der Menge heißt so viel als
vor Unkundigen? Denn vor den Sachverständigen
wird er doch nicht überzeugender reden als der
Arzt.
Gorgias: Richtig.
Sokrates:Wenn er überzeugender reden wird als der
Arzt, wird er doch überzeugender als der Sachverständige?
Gorgias: Jawohl.
Sokrates: Ohne doch Arzt zu sein. Nicht wahr?
Gorgias: Jawohl.
Sokrates: Der Nichtarzt versteht doch wohl nichts
von den Dingen, die der Arzt versteht?
Gorgias: Offenbar.
Sokrates: Der Unkundige wird also vor Unkundigen
überzeugender sein als der Sachverständige, wenn
es der Redner mehr als der Arzt sein soll. Das ist
doch die Folge; oder nicht?
Gorgias: Ja, das folgt daraus.
Sokrates: Auch im Verhältnis zu allen übrigen Künsten
steht es mit dem Redner und der Rhetorik geradeso:
Die Dinge selbst braucht sie nicht zu kennen
nach ihremWesen, aber ein Mittel der Überredung
muß sie gefunden haben, um den Unkundigen
gegenüber den Schein zu erwecken, als verstehe
man mehr davon als die Sachverständigen.
Gorgias: Ist das nicht eine große Erleichterung, lieber
Sokrates, daß man die übrigen Künste nicht zu erlernen
braucht, sondern nur diese eine, um hinter
den Sachverständigen nicht zurückzustehen?
...
ein Zustand, wie du ihn dem Archelaos
und den anderen Tyrannen, Rhetoren und Gewalthabern
zuschreibst?
Polos: So scheint's.
Sokrates: Diese haben es ja, mein Bester, ungefähr
ebensoweit gebracht, wie wenn jemand, mit den
schwersten Krankheiten behaftet, es dahin bringt,
daß er für die Fehler an seinem Leibe nicht Strafe
erhält und nicht geheilt wird, weil er sich wie ein
Kind fürchtet vor dem Brennen und Schneiden,
weil es weh tut. Oder denkst du nicht auch so?
Polos: Ja.
Sokrates: Er weiß wahrscheinlich nicht, was Gesundheit
heißt und Tüchtigkeit des Leibes. So etwas tun
denn auch, scheint es nach unseren jetzigen Zugeständnissen,
diejenigen, welche der Strafe ausweichen
wollen, lieber Polos; sie sehen auch ihre
Schmerzhaftigkeit, für ihren Nutzen aber sind sie
blind und wissen nicht, wieviel unglücklicheres ist,
mit einer ungesunden, ja innerlich faulen, ungerechten
und ruchlosen Seele behaftet zu sein als mit
einem ungesunden Leibe. Darum bieten sie alles
auf, um nur nicht Strafe zu leiden und frei zu werden
von dem größten Übel, schaffen sich Vermögen
und Freunde und suchen die Kraft der Überredung
so sehr als möglich sich anzueignen.
...
http://www.iiqii.de/gallery/Die-iiQii-Philosophie/dblinke_detleflinke_de
Auszug aus Detlef B. Linke: Die Freiheit und das Gehirn. Eine
neurophilosophische Ethik, S. 188 - 194
"Bekanntermaßen
gelingt Versöhnung eher über Emotionen als über Worte.
Das ist dann der Fall, wenn die argumentative Auflösung einer
Problemkonstellation und eines aufgeladenen Verhältnisses so
abläuft, dass bei jedem erklärenden oder entschuldigenden
Satz notwendigerweise (also ohne Absicht, ungewollt) in den benutzten
Worten auch immer ein Vorwurf oder zumindest ein neues Problem
steckt.
Dann ist der Problemlösungsdiskurs, wenn die
Beteiligten nicht einen sehr langen Atem haben, also die Fähigkeit,
über Stunden des Gesprächs einen Schmerz auszuhalten, die
Auflösung eines Problems kaum möglich, da jeder Faden,
der
aus dem Knäuel genommen wird, zu einer neuen Verknotung führt.
In solchen Fällen ... wird das eher von der Amygdala
getragene Freund-Feind-Schema eine klare Trennung durch einen
Schwerthieb durch den gordischen Knoten anstreben...
In der
Praxis scheitern viele Enthusiasten der Integration an dem riesigen
Aufwand, den der Umgang mit dem Misstrauen und der Angst bei anderen
Menschen für die eigenen Kommunikationskräfte erforderlich
macht...
Wir wissen um die unterschiedliche Abwehr von
Ausseninformationen, je nachdem, ob die Amygdala kontrollierend
eingeschaltet ist ...
Werden Informationen direkt zum Cortex
durchgelassen, so liegt eine geringere Abwehr und Filterfunktion vor.
Das ist gleichsam eine paradiesische Situation, in der die
Menschen einander nicht misstrauen und daher keine Abwehr aufbauen.
Wird die Amygdala eingeschaltet, dann wird Abwehr aufgebaut, die
selber Ursache von Missverständnissen sein kann."